Während Donald Trump in seiner Amtszeit mit umfassenden Steuererleichterungen die ökonomische Spaltung des Landes vorantrieb und in der Corona-Krise nahezu alles außer Führungsqualitäten zeigt, stehen auf der Gegenseite ein Kandidat und ein Parteiapparat, die wenig mehr im Sinn haben, als einen Status quo zu restaurieren, der Donald Trump überhaupt erst an die Macht brachte.
In den vergangenen Wochen und Monaten haben die Demokraten fast alle Forderungen aufgegeben, die dazu beitragen könnten, die soziale Schere im Land zumindest nicht größer werden zu lassen. Erst vor wenigen Tagen kündigten führende Demokraten im US-Kongress an, dass sie nach einem möglichen Wahlsieg die von Trump durchgesetzten Steuererleichterungen, die vor allem Unternehmen und wohlhabenden Privatpersonen zugutekamen, vorerst nicht rückgängig machen werden. Ähnlich verfuhr übrigens Barack Obama anno 2010 mit den ebenfalls großzügigen Steuersenkungen, die sein Vorgänger George W. Bush zu verantworten hatte: Auch diese blieben bestehen. Eine allgemeine Krankenversicherung – die sowohl bei Demokraten als auch bei unabhängigen Wählern äußerst populär ist und auch die Zustimmung eines Teils der republikanischen Wählerschaft genießt – lehnen Joe Biden und große Teile der Partei ebenfalls ab.
Statt eine positive Vision für die Zukunft des Landes zu entwickeln, spricht Biden von einem Kampf „um die Seele Amerikas“ und versucht, die strukturellen Probleme im Land, an deren Entstehung er jahrzehntelang als Senator und Vizepräsident maßgeblich mitwirkte, allein Donald Trump anzulasten. Zudem schmückt sich Biden mit der Unterstützung vermeintlich moderater republikanischer Politiker und erhärtet damit den Eindruck, dass die alten Washingtoner Eliten im November mit vereinten Kräften die Macht zurückgewinnen wollen.
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Während Barack Obama mit rhetorischem Charme und perfekter Choreographie die Mehrheit der US-Wählerschaft trotz eines insgesamt wenig ambitionierten Politikprogramms noch mit Erfolg hinter sich versammeln konnte, scheiterte diese Strategie mit Hillary Clinton. Deren Wahlkampf war vor allem eine Fortsetzung des wirtschaftsliberalen Kurses unter Obama, garniert mit ein wenig Identitätspolitik.
Die peinliche Wahlniederlage, die Clinton und die Partei bis zum letzten Moment nicht hatten kommen sehen, führte in der Folge nicht etwa zu einer programmatischen und personellen Erneuerung, sondern vor allem zu Schuldzuweisungen: Mit beachtlicher Arroganz und ohne auch nur eine Spur von Selbstkritik schob Clinton ihre Niederlage wahlweise auf russische Einmischungsversuche, die Anhänger ihres Vorwahlgegners Bernie Sanders oder vermeintliche Ressentiments gegenüber Frauen und Minderheiten in der US-Wählerschaft.
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Ihre Zeit in der Opposition verbrachten die Demokraten allerdings in wesentlichen Teilen damit, die These zu verbreiten, dass vor allem russische Einmischung im Wahlkampf – und nicht etwa eigene Versäumnisse oder die zunehmende Entfremdung von ihrer einstigen Kernwählerschaft – entscheidend für den Wahlsieg Donald Trumps gewesen seien.
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Der aktuelle Wahlkampf wirkt vor diesem Hintergrund ein wenig wie eine Neuauflage des Jahres 2016. Zwar polarisiert Joe Biden weniger als Clinton, aber erneut hat der Kandidat politisch kaum mehr anzubieten, als nicht Donald Trump zu sein. Wieder einmal sind die Unterstützer der demokratischen Präsidentschaftskampagne Superreiche und nicht die (noch verbleibende) Parteibasis – wie bereits seit Jahrzehnten.
Während Vizekandidatin Kamala Harris sich von ihrer ursprünglichen Forderung nach der Einführung einer allgemeinen Krankenversicherung bereits während ihrer eigenen Präsidentschaftskampagne abwandte, tourt Biden durch Nobelhotels und Anwesen reicher demokratischer Spender und versichert ihnen, dass sich unter seiner Präsidentschaft für sie „nichts Grundsätzliches“ ändern werde. Und während Durchschnittsverdiener seit Mitte der Sechzigerjahre nahezu keine realen Lohnzuwächse mehr verzeichnen konnten, wuchs das Vermögen der reichsten US-Milliardäre allein während der Corona-Krise seit Beginn des Jahres um nahezu ein Drittel – in einer Zeit, als 50 Millionen Amerikaner ihre Jobs verloren.
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Bis vor wenigen Wochen war auf Bidens Homepage lediglich Wahlmaterial aus dem Vorwahlkampf abrufbar – ein treffendes Beispiel dafür, wie wenig ernst man offenbar Inhalte und persönliche Überzeugungsarbeit nimmt.
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