Léon Blum

In der Tat ist Blum ein Mann, wie es ihn eben nur in Frankreich, aber auch da nur von Zeit zu Zeit geben kann: der Typ des Intellektuellen als Politiker. Nach Blum wird sich François Mitterrand, bescheidener im Anspruch, aber sehr viel erfolgreicher bei der Durchsetzung seiner Politik und auch im politischen Überleben, in dieser Rolle versuchen. Blum verstand Sozialismus als eine eminent kulturelle Frage, er bedeutete ihm schlicht die Summe allen menschlichen Wissens und den Gipfel aller Zivilisation. In einem seiner eher ironisch zu verstehenden literarischen Versuche ließ er Goethe seinen »Faust« neu schreiben: Da kehrt Faust, für den Jean Jaurès jetzt Modell steht, als sozialistischer Führer in die moderne Gesellschaft zurück, als Mephisto dient ihm die Figur von Jules Guesde, dem marxistischen Gegenspieler von Jean Jaurès vor dem Ersten Weltkrieg. Erst viel später wird Brandt Tragik, aber auch Größe von Léon Blum verstehen — als ihm der israelische Sozialist Shimon Peres 1978 eine Blum-Biographie mit den Worten schenkt: »Hieraus magst Du ersehen, was für eine Art Sozialist ich bin — Kultursozialist im Sinne von Léon Blum.«

—Peter Merseburger, Willy Brandt, (München: Pantheon Verlag, 2013), 110-111.

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