Zudem waren es Kriege, die Amerika nicht gewinnen konnte, weil sie als Guerilla­kriege eine Ausdauer und auch eine Bereitschaft zu menschlichen Opfern erforderten, die eine offene westliche Gesellschaft nur unter den Bedingungen einer tatsächlich existenziellen Bedrohung und einer umfassenden nationalen Mobilisierung zu leisten in der Lage ist. Auf der Grundlage von ideologisch-imperialen, im Falle Iraks tatsächlich aber vorgeschobenen, fabrizierten Gründen (Massen­vernichtungs­waffen) sind solche Kriege nicht durchhaltbar und müssen selbst für eine militärisch weit überlegene Macht in der Niederlage enden, wie schon zuvor für Frankreich in Algerien in den 50er- und für die USA in Vietnam in den 60er- und 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Diese scheinbar end­losen, militärisch nicht zu gewinnenden Kriege wie im Irak und ihre enormen Kosten und auch Opfer an Soldaten, die vor allem aus dem Herzland der USA und aus der Unter- und Mittelschicht kamen, verstärkten dort, gemeinsam mit dem anhaltenden Verlust an Arbeitsplätzen und dem sozialen Abstieg dieser Regionen, den Eindruck eines allgemeinen Niedergangs der einstmals so stolzen, unbesieg­baren Super­macht USA, die im 20. Jahrhundert Hitler­deutsch­land, das japanische Kaiser­reich und die Sowjetunion in drei globalen heißen und kalten Weltkriegen besiegt hatte. Auf diesem Hintergrund wird die Attraktivität des Sounds von »Make America great again!« leicht verstehbar.

—Joschka Fischer, Der Abstieg des Westens, (Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch, 2018), 60-61.

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